Neuromodulation bei chronischen Schmerzen
Aktuelle Konzepte der elektrischen Schmerzlinderung durch zentrale und periphere Stimulation
Chronische Schmerzen stellen eine erhebliche medizinische und psychosoziale Herausforderung dar – insbesondere dann, wenn konventionelle medikamentöse oder interventionelle Therapien keine ausreichende Linderung erzielen.
In solchen Fällen kann die Neuromodulation als evidenzbasiertes, individualisierbares Verfahren eine gezielte therapeutische Option darstellen.
Im Rahmen der Neuromodulation werden mittels elektrischer Stimulation gezielt Strukturen des zentralen oder peripheren Nervensystems beeinflusst, um pathologische Schmerzverarbeitung zu modulieren. Diese Verfahren sind überwiegend minimalinvasiv, reversibel und lassen sich an die jeweilige Schmerzsymptomatik anpassen.
Als Fachärztin für Anästhesie mit schmerztherapeutischer Spezialisierung biete ich eine umfassende Beratung zur Indikationsstellung und Verlaufskontrolle an. Die Implantation der jeweiligen Systeme erfolgt durch spezialisierte Zentren, mit denen ich eng kooperiere.
Verfahren der Neuromodulation:
Spinal Cord Stimulation (SCS)
Die Rückenmarkstimulation basiert auf der Platzierung epiduraler Elektroden, die segmentale Schaltkreise im Rückenmark modulieren. Der eingesetzte Impulsgeber, meist subkutan implantiert, erzeugt niederfrequente oder Burst-artige Impulse, die nozizeptive Signalübertragung unterdrücken.
Indikationen:
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Chronische radikuläre oder axial betonte Rückenschmerzen
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Failed-Back-Surgery-Syndrom (FBSS)
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Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS)
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Neuropathien bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit
Periphere Nervenstimulation (PNS)
Bei der PNS erfolgt die direkte Stimulation schmerzleitender peripherer Nerven. Diese Methode eignet sich besonders bei fokalisierten Schmerzarealen oder posttraumatischen Neuralgien.
Indikationen:
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Neuralgien (z. B. N. occipitalis, N. trigeminus)
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Postoperative Nervenläsionen
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Schulter- und Extremitätenschmerzen
Tiefe Hirnstimulation (DBS)
Die tiefe Hirnstimulation adressiert zentrale Schmerzzentren wie Thalamus, periaquäduktales Grau oder Gyrus cinguli. Sie ist reserviert für schwerste, therapierefraktäre Schmerzzustände.
Indikationen:
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Zentral-neuropathische Schmerzsyndrome
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Postinsultschmerz
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Deafferentierungsschmerzen
Intrathekale Medikamentenpumpen
Über eine im Subkutangewebe implantierte Pumpe werden Opioide oder Koanalgetika direkt in den Liquorraum abgegeben. Dies ermöglicht eine signifikante Dosisreduktion im Vergleich zur systemischen Applikation.
Indikationen:
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Tumorbedingte chronische Schmerzen
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Spastik-assoziierte Schmerzsyndrome
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Hochdosierte orale Analgetikatherapien mit limitierender Toxizität
Nicht-invasive Verfahren
Repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) und transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS)
Beide Verfahren modulieren kortikale Erregbarkeitsmuster über das Schädelknochenareal hinweg. Sie eignen sich für Patienten mit zentraler Sensibilisierung oder generalisierter Schmerzsymptomatik.
Indikationen:
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Fibromyalgiesyndrom
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Neuropathische Schmerzsyndrome
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Chronische Spannungskopfschmerzen
Vagusnervstimulation (VNS)
Die VNS wirkt über afferente Projektionen in den Hirnstamm und moduliert neuroinflammatorische Achsen sowie zentrale Schmerznetzwerke.
Indikationen:
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Clusterkopfschmerz, therapierefraktäre Migräne
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Funktionelle abdominale Schmerzsyndrome
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Inflammatorisch bedingte viszerale Schmerzen
Aktuelle technische Entwicklungen (Stand 2025)
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KI-gestützte SCS-Systeme: Adaptive Stimulationsmuster auf Basis kontinuierlicher Feedbackanalyse (Closed-Loop-Technologie), mit dokumentierten Reduktionen der Schmerzintensität um bis zu 58 % bei Langzeitanwendung.
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Modernisierte DBS-Systeme: Echtzeit-gesteuerte Stimulation in Abhängigkeit neuronaler Signale mit individualisierter Frequenzmodulation.
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Zulassung nicht-invasiver Verfahren: rTMS und tDCS mit CE- und FDA-Freigabe für definierte Indikationen im Bereich chronischer Schmerzen.
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Bioelektronische Miniaturstimulatoren: Fortschritte in Implantatgröße, Akkuleistung und Programmierbarkeit – u. a. BurstDR, Medtronic Percept, Abbott Proclaim.
Vorteile der Neuromodulation
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Individualisierbare, reversible Therapie
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Signifikante Reduktion pharmakologischer Schmerzmittel
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Niedrigeres Nebenwirkungsprofil
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Verbesserung funktioneller und psychosozialer Parameter (Mobilität, Schlaf, Lebensqualität)
Medizinische Einschätzung und Zusammenarbeit mit spezialisierten Zentren
Im Rahmen meiner schmerzmedizinischen Sprechstunde erfolgt eine differenzierte Einschätzung der Eignung für neuromodulative Therapien – auf Basis klinischer, funktioneller und bildgebender Kriterien. In geeigneten Fällen stelle ich den Kontakt zu spezialisierten Zentren für die Implantation her und begleite Sie engmaschig im weiteren Verlauf.
Ziel ist eine evidenzbasierte, multidisziplinär abgestimmte Versorgung – individuell zugeschnitten auf die Bedürfnisse und Lebenssituation des jeweiligen Patienten.