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Schmerzgedächtnis- wenn der Schmerz bleibt

Was bedeutet „Schmerzgedächtnis“?

Der Begriff Schmerzgedächtnis beschreibt ein medizinisch gut belegtes Phänomen: Schmerzen können sich im Nervensystem „einprägen“ – ähnlich wie Erlebnisse im Gedächtnis gespeichert werden. Auch wenn die ursprüngliche Ursache (z. B. eine Verletzung, Operation oder Entzündung) längst abgeheilt ist, bleibt der Schmerz bestehen. Er wird zum eigenständigen Krankheitsbild.

Das Schmerzgedächtnis spielt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung chronischer Schmerzen – insbesondere dann, wenn diese länger als drei bis sechs Monate anhalten oder wiederkehrend auftreten.

Wie entsteht ein Schmerzgedächtnis?

Schmerz ist ein komplexes Alarmsystem des Körpers. Akute Schmerzen haben eine wichtige Schutzfunktion: Sie weisen auf Gewebeschädigungen hin und sorgen dafür, dass wir uns schonen.

Werden Schmerzen jedoch nicht ausreichend behandelt oder bestehen sie über längere Zeit, kann das Nervensystem in eine Art Dauererregung übergehen. Wiederholte Schmerzreize aktivieren bestimmte Nervenzellen immer wieder, wodurch sich:

  • die Schmerzschwelle senkt (Hyperalgesie),

  • harmlose Reize plötzlich Schmerzen auslösen (Allodynie),

  • und das zentrale Nervensystem zunehmend sensibilisiert wird.

Man spricht hier von einer zentralen Sensitivierung – das Gehirn interpretiert selbst normale Signale als Schmerz. Diese Vorgänge sind messbar und zeigen sich beispielsweise in bildgebenden Verfahren (fMRT, PET).

Pathophysiologischer Hintergrund

In der Entstehung eines Schmerzgedächtnisses spielen mehrere Ebenen des Nervensystems eine Rolle:

  • Periphere Nervenzellen (Nozizeptoren) feuern häufiger oder spontaner.

  • Rückenmark: erhöhte Reizweiterleitung durch reduzierte Hemmung in den Hinterhörnern (zentrale Sensibilisierung).

  • Gehirn: Areale wie der somatosensorische Kortex, das limbische System (emotionale Bewertung) und der präfrontale Cortex (Schmerzerwartung) verändern ihre Aktivität und Verschaltung.

Neurotransmitter wie Glutamat, Substanz P und BDNF fördern die Verstärkung der Schmerzsignale. Gleichzeitig gehen endogene Schmerzhemmmechanismen – etwa durch körpereigene Opioide – oft zurück.

Diese neuroplastischen Veränderungen sind reversibel – aber nur mit gezielter, frühzeitiger Therapie.

Wie häufig ist das Schmerzgedächtnis?

Studien zeigen: Rund 20–30 % aller Patienten mit akuten Schmerzen entwickeln im Verlauf ein chronisches Schmerzsyndrom – oft mit Beteiligung des Schmerzgedächtnisses.

 

Besonders gefährdet sind Personen mit:

  • lang andauernden oder schlecht behandelten Schmerzen

  • wiederholten Operationen

  • Nervenverletzungen oder neuropathischen Schmerzen

  • psychischer Belastung (z. B. Depression, Angststörung)

  • geringem Zugang zu schmerzmedizinischer Versorgung

Chronische Rückenschmerzen, Fibromyalgie, Postzosterneuralgie oder das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) sind typische Beispiele, bei denen das Schmerzgedächtnis eine zentrale Rolle spielt.

Risiken und Folgen

Ein ausgebildetes Schmerzgedächtnis kann zu erheblicher Beeinträchtigung der Lebensqualität führen:

  • Schlafstörungen, Erschöpfung, Konzentrationsprobleme

  • Verlust von Mobilität und Selbstständigkeit

  • Berufliche und soziale Einschränkungen

  • Psychische Folgeerkrankungen (z. B. depressive Verstimmung)

Wird das Schmerzgedächtnis nicht erkannt und gezielt behandelt, kann sich ein Teufelskreis aus Schmerz, Schonverhalten und psychischer Belastung entwickeln.

Therapie: Was hilft bei einem Schmerzgedächtnis?

Ein bestehendes Schmerzgedächtnis lässt sich nicht „löschen“ – aber gezielt beeinflussen. Ziel der Behandlung ist es, die übersteigerte Schmerzwahrnehmung zu regulieren, das zentrale Nervensystem zu entlasten und neue, nicht-schmerzhafte Reizverarbeitung zu fördern.

In meiner Ordination in Retz biete ich individuell abgestimmte, medizinisch fundierte Therapiekonzepte auf Basis aktueller Leitlinien:

Medikamentöse Ansätze

Zur Dämpfung der neuronalen Übererregbarkeit kommen gezielt ausgewählte Arzneimittel zum Einsatz:

  • Antikonvulsiva 

  • Trizyklische Antidepressiva 

  • Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer

Diese wirken zentral schmerzmodulierend – unabhängig von einer psychischen Grunderkrankung.

Ergänzende physikalische Verfahren

  • TENS-Therapie zur Reizüberlagerung

  • Thermotherapie zur muskulären Entspannung und Durchblutungsförderung

  • schonende Bewegungstherapie zur Reduktion von Schonhaltung und Reaktivierung schmerzfreier Muster

 

Neuroregulative und systemische Unterstützung

  • Hochdosis-Vitamin- Infusionstherapie

  • Vitamin-D-Substitution bei nachgewiesenem Mangelzustand

  • Mikronährstofftherapie zur Unterstützung neuronaler Regeneration

 

Verhaltenstherapeutisch orientierte Verfahren (extern koordiniert)

Bei chronischen Schmerzsyndromen ist die emotionale Bewertung des Schmerzes mitentscheidend. Bei Bedarf koordiniere ich:

  • psychotherapeutische Begleitbehandlungen

  • Achtsamkeitstraining und Stressbewältigung

  • Biofeedback oder Entspannungsverfahren

 

Multimodale Schmerztherapie

In komplexen Fällen kann eine strukturierte Kombination mehrerer Verfahren (medikamentös, physikalisch, psychologisch) erforderlich sein – auf Wunsch auch interdisziplinär abgestimmt.

Wichtig: Je früher ein Schmerzgedächtnis erkannt und behandelt wird, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Eine rechtzeitige, gezielte Schmerztherapie kann verhindern, dass sich der Schmerz weiter verfestigt – und Lebensqualität zurückgeben.

Fachärztliche Schmerztherapie in Retz

Als Fachärztin für Anästhesiologie mit Spezialisierung auf Schmerzmedizin biete ich Ihnen eine umfassende Diagnostik und individuelle Behandlung – mit dem Ziel, Ihre Lebensqualität nachhaltig zu verbessern.

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